Social Virtual Reality Is Fake

Erstmals gehen die Nutzungszahlen zurück: Facebook verliert User zwischen 18 und 34 Jahren. Am stärksten ist dieser Trend in den USA zu beobachten, Einbußen gibt es aber auch in Mitteleuropa, insbesondere in Deutschland. Kein Wunder also, dass Zuckerberg und Co alles versuchen, um die Rückgänge zu stoppen oder einzudämmen.

Nach den vorgefertigten Fragen in den Status-Boxen (Wie geht es Dir? Was machst Du heute?) kommt Facebook jetzt also mit einer aufdringlichen App, die Statusmeldungen sogar in den Startbildschirm des Smartphones einspielt. Ganz ehrlich? Brauch ich nicht! Es ist nicht so, dass Facebook und Co mich nerven: Nein, mich nerven die ewig gleichen langweiligen Contents vieler meiner Facebook-Freunde und der Seiten, die ich geliked habe: Einmal Essen, einmal der Fuß im Sandstrand am Meer, einmal der Ski im Schnee, einmal das liebe Haustier, einmal die Geburtstagstorte oder das kollektive Jammern übers Wetter. Wozu soll ich mir das auf den Startscreen meines Handies spielen lassen?

Vor ein paar Jahren hatte man als Facebook User tatsächlich das Gefühl in eine Art virtuelle, soziale Realität abzutauchen, sobald man sich auf der Website eingeloggt hatte. Die Vision von Jaron Lanier, die ich in den 1990ern noch für ein Hirngespinst gehalten hatte, schien in vielerlei Hinsicht wahr geworden zu sein: Nämlich die Wahrnehmung der Wirklichkeit in einer computergenerierten, interaktiven und virtuellen Umgebung. Plötzlich war es möglich Kontakt mit Freunden und Bekannten zu halten, von denen man vorher schon ewig nichts mehr gesehen und gehört hatte. Ohne große Recherche, ohne zum Telefon greifen zu müssen, interaktive Gespräche, sehr bequem. Mit dem Datenschutz nahmen es viele nicht so genau. Man bekam mit, was die Leute so machten und was sie beschäftigte. Ein echter Mehrwert, eine Bereicherung zur Offline-Kontaktpflege und das Gefühl, nichts zu verpassen.

Um aber wirklich was über seine Freunde zu erfahren, braucht es zumindest zwischendurch wertvolle Informationen, die einen immer wieder vor den Schirm locken. Jedoch fehlen diese zunehmend. Aus dem tagtäglichen Banalitäten-Strom die Perlen herauszuholen, wird immer mühsamer. Meinen Facebook-Freunden will ich da aber keinen Vorwurf machen: Wer möchte auch schon in der Öffentlichkeit tief in sich hinein schauen lassen und seine innersten Gedanken preisgeben, wenn er weiß, dass Millionen und Abermillionen von Usern sich alles anschauen können? Die Facebook-User sind erwachsener geworden: Das Bewusstsein für Datenschutz und Privatsphäre ist enorm gewachsen. Die Folge aus meiner subjektiven Wahrnehmung heraus: Facebook entwickelt sich immer mehr zum automatisierten Adressbuch. Der Offline Kontakt zu Freunden ist da wesentlich sexier. Privacy ist in der Wirklichkeit nicht bloß ein Versprechen.

Was lernen wir also daraus? Die vermeintliche virtuelle Realität der sozialen Netzwerke ist nicht real: Sie ist durch und durch fake. Seit dem Bestehen von Facebook war es noch sie offensichtlich wie heute. Und wer mag auf Dauer schon Fakes, außer sie sind gut gemacht? Noch ist Facebook für viele eine Bereicherung, wenn es darum geht Kontakte zu pflegen und diese nicht zu verlieren. Facebook hat aber viel von der anfänglichen Lockerheit verloren. Der Content wird stark von werbenden Marken geprägt und weniger von Menschen, die etwas mitzuteilen haben. Die Anzahl der älteren User steigt: Man darf sich also nicht wundern, dass junge User abwandern. Wo wird Facebook wohl in fünf Jahren stehen?

Ich werde natürlich soziale Netzwerke wie Facebook und Co auch weiterhin nutzen. Ich habe auch nichts gegen sie. Ganz im Gegenteil. Aber die Art und Weise, nämlich wie intensiv ich sie nutze, wird sich ändern, so wie sich die gebotenen Inhalte auf Facebook ändern. Tempi cambi, alles bleibt anders: daran werden immer penetrantere Maßnahmen der Facebook-Macher, um User zum Dranbleiben zu überreden, nichts ändern.

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